Mail vom Energie-Experten: Stimmungsmache gegen Netzerückkauf ist gängige Praxis

Vattenfall hält in Hamburg und Berlin mit Krallen und Zähnen am Stromnetz und der Fernwärme fest. Im vergangenem Jahr hat Vattenfall 48 Mio. Euro Gewinn alleine mit dem Stromnetz gemacht. Der Umsatz betrug 518,6 Mio. Euro. Das Gasnetz von E.on brachte über 17 Mio. Euro Gewinn ein. Weiterhin verborgen bleiben die Gewinne aus dem Fernwärmegeschäft.

Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie kommt in einer Studie zu dem Schluss, dass sich für Kommunen durch Rekommunalisierungen sehr gute energie- und kommunalwirtschaftliche Chancen ergeben. Für diese Untersuchung hat das Institut neu gegründete Stadtwerke der letzten acht Jahren untersucht.

Dennoch bezeichnet die Senats-SPD die Netze als Risiko-Geschäft. Bürgermeister Olaf Scholz hierzu am 19. September 2013 im Hamburger Abendblat:

O. Scholz: Erstens gibt es auch viele, die das gedacht haben und jetzt Geld verlieren. Und zweitens haben diejenigen, die Geld damit verdienen, deswegen Erfolg, weil sie für den Kauf keine Kredite aufnehmen müssen, sondern aus eigenem Anlagevermögen investieren können. […] Aber wir haben das Geld nicht auf der Bank, wir nehmen es von der Bank und müssen dafür Zinsen zahlen. Die Gefahr ist groß, dass die schmale Differenz zwischen zu zahlenden Zinsen und den Dividenden wegschmilzt und man in die roten Zahlen rutscht.

Kurt Berlo Projektleiter der Forschungsgruppe Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik am Wuppertal Institut – hebelt in einer Mail an UNSER HAMBURG – UNSER NETZ die Argumente von Bürgermeister Olaf Scholz aus:

Hallo UNSER HAMBURG – UNSER NETZ,

Die Argumente von Olaf Scholz sind typisch für Kommunalpolitiker, deren Entscheidung für eine andere Variante vorliegt.

Die ganze Argumentationsführung ist zudem unsachlich, polemisch und inhaltlich einfach nur falsch. Er malt das Gespenst der Unwirtschaftlichkeit an die Wand, das zieht in gewisser Weise oft – aber Gott sei Dank nicht immer. Das Gegenteil von dem, was Olaf Scholz behauptet, ist richtig:

Mit dem Netzkauf wird das Geld in sinnvolles Investivkapital umgewandelt. Der örtliche Netzbetrieb und die daraus entstehenden Synergien mit anderen Wertschöpfungsstufen auf Hamburger Ebene (wie Erzeugung, Vertrieb, Angebot von ökoeffizienten Energiedienstleistungen) ist ein lukratives Geschäftsfeld, auf dem sich in Deutschland außer den vier großen Stromkonzerne einige hundert Stadtwerke erfolgreich betätigen. Warum sollte das ausgerechnet in Hamburg nicht funktionieren. Im Zuge einer Energiewendepolitik werden sich die Bereiche wie Netzbetrieb, Ausbau der Erneuerbaren Energien, dezentralen KWK und Ausschöpfung der vorhandenen Effizienzpotenziale zu einem riesigen Geschäftsfeld weiterentwickeln. Es gibt auch Netzbetreiber, die zweistellige Renditen erzielen. Eine überwiegende Kreditfinanzierung von Verteilnetzen ist vor dem Hintergrund einer historischen Tiefzinsphase äußerst sinnvoll.

Thema Rechtsstreit: Und einem Rechtsstreit mit Vattenfall kann die Stadt Hamburg mit guten Argumenten und sehr guten Aussichten auf Erfolg entgegen sehen. Allerdings ist (vermeintliche) Hasenfüßgkeit und ein zu geringes Selbstvertrauen in die eigenen Möglichkeiten und Stärken ein denkbar schlechter Ratgeber.

Thema Strompreis: Es gibt keinen empirischen Beleg dafür, dass die Strompreise steigen, wenn es zu kommunalen Netzübernahmen kommt. Dieses Argument ist frei erfunden und aus der Luft gegriffen um Angst zu schüren und eine Stimmungsmache gegen die Rekommunalisierung in Hamburg zu befeuern.

In der Studie des Wuppertal Instituts Stadtwerke-Neugründungen und Rekommunalisierungen Energieversorgung in kommunaler Verantwortung zeigt der Experte, wie Stromkonzerne den bewusst und systematisch den Rückkauf der Energienetze durch die Kommunen verhindern.